Das Ende der Perimeter-Sicherheit

Die aktuelle techconsult-Studie bestätigt eine besorgniserregende Diskrepanz: Während mehr als die Hälfte der Unternehmen in den letzten 12 Monaten attackiert wurde, fühlt sich weniger als die Hälfte angemessen auf künftige Bedrohungen vorbereitet.

Ein Beitrag von Alperen Mertek, PM & Lead Engineer für Netskope bei Sidarion

Traditionelle Sicherheitsansätze stossen in hybriden Arbeitsumgebungen an ihre Grenzen. Cloud-Migration, Remote Work und IoT-Proliferation haben die klar definierten Netzwerkgrenzen aufgelöst. Zero Trust Architecture adressiert diese Realität durch einen fundamentalen Paradigmenwechsel.

Das Prinzip «Never trust, always verify» basiert auf drei Grundpfeilern:

  • Explizite Verifizierung aller verfügbaren Datenpunkte
  • Implementierung des Least-Privilege-Prinzips
  • Annahme einer bereits kompromittierten Umgebung

Banking-Sektor unter verschärftem Bedrohungsdruck

Finanzdienstleister waren 2021 das zweithäufigste Angriffsziel mit 22,4 % aller Cyberangriffe. Diese Exposition resultiert aus spezifischen strukturellen Herausforderungen:

Legacy-Infrastrukturen mit jahrzehntealten Kernsystemen erschweren moderne Sicherheitsimplementierungen. Fragmentierte Datenarchitekturen verhindern einheitliche Visibilität. Gleichzeitig intensiviert sich der Wettbewerbsdruck durch agile Fintech-Unternehmen.

Ein Chief Information Security Officer einer führenden europäischen Bank berichtete über die Implementierung von Zero Trust Segmentierung: «Die Lösung verschaffte uns unmittelbare Transparenz über unsere Umgebung und ermöglichte präzise, schnelle Reaktionen auf identifizierte Bedrohungen.»

DACH-Region: Kritische Sicherheitslücken identifiziert

Die Studienergebnisse offenbaren alarmierende Trends:

  • 52 % der Unternehmen verzeichneten Cyberangriffe
  • 25 % erlitten mehrfache Attacken
  • 47 % der Grossunternehmen (>5’000 Mitarbeitende) erlebten massive Betriebsunterbrechungen
  • Ein Drittel der Grossunternehmen erlitt direkte finanzielle Verluste

Diese Zahlen unterstreichen die Dringlichkeit strukturierter Cybersecurity-Modernisierung.

NIST SP 800-207: konzeptionelles Framework für die Praxis

Das National Institute of Standards and Technology definiert Zero Trust als Set von Leitprinzipien mit drei zentralen Architekturkomponenten:

  • Policy Engine: Dynamische Entscheidungsfindung basierend auf konfigurierten Policies und externen Informationsquellen
  • Policy Administrator: Zentrale Verwaltung und Kommunikation von Zugriffsentscheidungen
  • Policy Enforcement Points: Granulare Kontrolle und Durchsetzung an kritischen Netzwerkpunkten

Das NIST-Framework bietet eine praktikable Grundlage für Enterprise-Implementierungen.

Netskope ZTNA: Konsolidierte Zero Trust Network Access

Netskope One Private Access demonstriert die Evolution von fragmentierten Sicherheitslösungen hin zu konvergierten Plattformen. Die Architektur ermöglicht vollständige VPN-Ablösung durch:

  • Einheitliche Client-Architektur für sämtliche Inline-Services
  • Unsichtbarkeit privater Ressourcen gegenüber Discovery-Versuchen
  • TLS-verschlüsselte Anwendungstunnel mit identitätsbasierter Autorisierung
  • Device Posture Assessment vor Zugriffsgenehmigung

Diese Konsolidierung reduziert die Angriffsfläche und begrenzt laterale Bedrohungsbewegungen erheblich.

Strukturierte Implementierungsmethodik

Die Forrester-Methodik nach John Kindervag hat sich in der Praxis als zielführend erwiesen:

Phase 1: Definition der Protect Surface – Identifikation kritischster Unternehmensassets

Phase 2: Analyse der Transaktionsflüsse – Mapping von Arbeitsabläufen und Datenbewegungen

Phase 3: Architektonische Planung – Design erforderlicher Kontrollen und Technologien

Phase 4: Policy-Entwicklung – Granulare Zugriffsdefinitionen für alle Ressourcen

Phase 5: Kontinuierliches Monitoring – Etablierung von Überwachungs- und Anpassungsprozessen

Bewährte Praxis: Mit der kleinsten kritischen Infrastruktureinheit beginnen und den vollständigen Implementierungszyklus abschliessen, bevor weitere Bereiche angegangen werden.

NIS-2 Directive: Regulatorische Compliance-Anforderungen

Die erweiterte NIS-2 Richtlinie verschärft Cybersecurity-Anforderungen für europäische Unternehmen erheblich. Der deutlich erweiterte Anwendungsbereich umfasst nun auch KMU und kritische Lieferketten.

Zero Trust Architecture unterstützt NIS-2 Compliance durch inhärente kontinuierliche Überwachung, granulare Zugriffskontrolle und dokumentierte Sicherheitsprozesse.

Strategische Überlegungen für Führungskräfte

Zero Trust repräsentiert eine langfristige strategische Transformation, nicht ein einmaliges Technologieprojekt. Drei kritische Erfolgsfaktoren:

  • Ressourcenplanung: Kontinuierlicher finanzieller und personeller Aufwand über mehrere Jahre
  • Organisationsentwicklung: Kultureller Wandel in der Cybersecurity-Philosophie erforderlich
  • Technologie-Integration: Interoperabilität zwischen Lösungen aufgrund fehlender Standards herausfordernd

Die Investition amortisiert sich durch reduzierte Incident-Response-Kosten, minimierte Ausfallzeiten und verbesserte Compliance-Postur.

Implementierungsherausforderungen aus der Praxis

Häufige Stolpersteine bei Zero Trust Projekten:

  • Überdimensionierte initiale Scope-Definition statt fokussierter Protect Surface
  • Technologie-orientierter statt strategiegeleiteter Ansatz
  • Unzureichende Stakeholder-Schulung und Change Management

Wie bewerten Sie die Zero Trust Readiness Ihres Unternehmens? Welche Herausforderungen sehen Sie bei der strategischen Planung – Budgetallokation, technische Komplexität oder organisatorische Transformation?

Für strategische Beratung zu Zero Trust Assessments, Roadmap-Entwicklung oder NIST-konformer Architekturplanung steht Ihnen Alperen Mertek gerne zur Verfügung.